Schon ein paar Jahre ist es her, da meldete sich immer mal wieder ein aufgebrachter Herr an meinem Redaktionstelefon. Eine schöne Stimme hatte er, auch wenn ich nicht immer ­verstand, was sie mir sagen wollte.

Der Anrufer beschwerte sich über alles, mit Vorliebe  aber über die „Bild“-Zeitung, die ständig  Lügen über ihn verbreite.  Geduldig erklärte ich Herrn Helmut Berger – so  hieß der Anrufer –,  dass ich  Berichte in „Bild“   nicht widerrufen  könne, da ich bei einer anderen Zeitung, nämlich bei den Stuttgarter Nachrichten, arbeite. Abrupt konnte so ein Telefonat enden –  auch ich wurde dann heftig von ihm verflucht – ,  und es war wieder die Wirtin Laura Halding-Hoppenheit dran, die er immer wählen ließ. Bei der „Mutter der Schwulen“, der Chefin des Kings Clubs und der Kämpferin gegen Aids,  lebte Helmut  Berger zwei Jahre lang – jener Agent Provocateur, der vor vier Jahrzehnten als  der schönste Mann der Welt galt, dem 1968 mit der Hauptrolle in „Die Verdammten“ der Durchbruch gelungen war.  In Stuttgart  brachte Laura mehrfach den Suchtkranken in die Klinik.  Immer  wieder büxte  er dort  aus und kehrte zu Laura zurück, bis die Rumänin irgendwann fertig mit den Nerven war und fertig mit „Horror“ , wie sie  ihn mit rollendem R  voller Inbrunst  nennt.  

Kürzlich tat der 68-Jährige  in der ­Talkshow von Markus Lanz  das, was er­ ­inzwischen am besten beherrscht:  Er nervte.  Berger, der einstige Lebenspartner des  ­Regisseurs Luchino Visconti, pöbelte, griff dem Komiker Jörg Knör in den Schritt und zeigte mit jedem Blick, dass sein  Nebensitzer, der künftigen Stuttgarter OB Fritz Kuhn, Luft für ihn war.   Der Grüne ­verstand die Welt nicht mehr und wollte vor allem eines wissen:  Warum geht jemand,  der eine Ikone der europäischen Filmkunst war,  freiwillig ins  RTL-Dschungelcamp, um sich zu entwürdigen?  Plötzlich war  der einstige Weltstar in einem kurzen Moment schlagfertig und gut.  Wenn man  400 Euro Rente im ­Monat habe, lautete seine   Antwort, gehe es nicht um Filmkunst oder so was. Verstanden?

Helmut Berger ist zurück im Rampenlicht. Dies hat mich veranlasst, daheim nach der  Autobiografie mit dem Titel  „Ich“ zu suchen, die mir der in Österreich geborene Schauspieler  im Jahr 1998 samt Widmung  („Herzlichst an Uwe Bogen von Helmut Berger“) geschenkt hatte. Im Vorwort zeigt er’s uns gleich mal. „Ja, ich bin durch die ­schönen Dinge des Lebens verdorben“, steht da. Und weiter:  „Aber allen, die mich nur als Skandalnudel sehen wollen, kann ich nur sagen: Mit ­jedem Tag meines Lebens erhöht sich zwangsläufig die Zahl derer,  die  mir so was von egal sind.“

In dem Buch beschreibt er seine Begegnungen mit den Großen dieser Welt, prahlt damit, mit wem er alles im Bett war, mit prominenten Frauen wie mit prominenten Männern. Sex mit Männern, erfahren wir, sei wesentlich unkomplizierter. „Man vögelt  aus purer lasterhafter Lust ohne späteren Lastenausgleich“, schreibt er, „man sagt danach ,Ciao‘ und nicht ,Ti Amo‘.“

Nicht die feine Art war’s, wie der einstige Darsteller des Märchenkönigs Ludwig  mit jungen  Männern  in Lauras  Kings Club umging.   Mit Gläsern  habe er um  sich geworfen, konnte Abweisungen  nicht ertragen. „Ich bin  Hollywood“, war so ein Spruch von ihm. Und was seid ihr?  Die Wirtin erteilte ihm Lokalverbot, sah ihn dann aber doch, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kam.  Horror!

Am Anfang, sagt Laura,  sei’s  sehr lustig mit ihm gewesen. ­Kennengelernt hatten sie sich bei einer der ersten Modeshows von Harald Glööckler in Stuttgart. Plötzlich stand Berger mit  einem Koffer vor ihrer  Tür.  Die Rumänin  mit den feuerroten Haaren  erkannte mit der Zeit, dass sie seine Therapeutin, Pflegerin, Köchin und  Geldgeberin  in einem war.   Zog ihr Untermieter allein los, kam es oft  vor, dass er irgendwo randalierte. Die Polizei wusste  Bescheid  und brachte den Schauspieler zur Wirtin,  obwohl die ihn  nicht mehr aufnehmen wollte.

In seiner Autobiografie  berichtet  Berger selbst von seinen Ausrastern, davon, dass  er’s nicht mehr aufs Klo schaffte und in den Blumenkübel urinierte – noch heute erzählt man sich diese  Geschichte im  Maritim in Stuttgart.  Einmal brachte ihn ein Mercedes im Hotelfoyer auf die Palme. Auf diesen  Sportwagen, der  für einen guten Zweck verkauft werden sollte,  hatte  Mika Häkkinen unterschrieben,. „Warum Mika und nicht ich?“, tobte Berger, rannte auf das Auto zu und zerkratzte es mit einem Stift.

Und jetzt  geht Helmut Berger ins  Dschungelcamp. Zur Ekelprüfung wird bereits der Anblick des aufgedunsenen Gesichts des einstigen Beaus. Man beobachtet  diesen Mann mit einer Mischung aus Mitleid und Schock, hofft, dass er die Staffel überlebt,  und fragt sich, warum ihn keiner  zurückhält, sich zu blamieren.  Hat  er den Tod seiner großen Liebe  Visconti  nie überwunden?  Geht es uns überhaupt was an?   Brauchen wir  gefallene  Helden wie ihn, damit unsere  eigenen Tiefschläge nicht  ganz so hart sind? Wir sollten Herrn Berger also dankbar sein.

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