Das Bohnenviertel ist der passende Ort, um Frauen etwas klarzumachen – speziell jenen, die meinen, ihre besten Jahre seien vorbei.  Das  Quartier, das eingeklemmt  zwischen Olgastraße und der B 14  ein Eigenleben führt,  als wär’s ein Dorf in der Stadt,  ist der Beweis: Was alt ist, kann   schön rausgeputzt sein, auf jeden Fall halt   reizvoll.

Wir sitzen in einer lustigen Runde im  Bohnenviertel-Bistro Brenner.  Plötzlich erwähnt die Schauspielerin Monika Hirschle („Laible und Frisch“), dass sie bald eine Woche „weg“ sei. Sie schwätzt gar net groß rum:  Mit einer Kollegin gehe sie für eine Woche in eine Schönheitsfarm.   Der ebenfalls durch und durch schwäbische  Heiko Volz,  die Stimme vom Äffle und   Autor  der neuen Geschichten mit dem Pferdle,  kann’s kaum fassen: „Was sollet die da macha? Die schicket di ja glei wieder hoim!“

Wow! So ein Charmebolzen!  Ja, ja, so, so – s  Äffle macht die Hirschle froh.

Im Bohnenviertel  sind die Männer halt besonders  liebenswürdig.  Da fragt  ein älterer Herr seine jungen Nebensitzerin freundlichst: „Gohst mit mir in die Kiste?“ Und die sagt: „Anders mol  gern, aber heut isch  scho z’  spät.“

Und jeder weiß, dass da nix Anstößiges besprochen wird. Die Kiste im Bohnenviertel ist schließlich die   älteste Weinstube der Stadt.  Volker Lang,  die Stimme des Pferdle, der an diesem Abend ebenfalls mit am Tisch sitzt, stellt mit seinen 81 Jahren weise fest: „Isch besser, man goht z’samma  in d’  Kiste, als dass man in d’  Kiste einfährt.“

Bohnenviertel-Geschichten. Seit vielen Jahrhunderten werden immer neue geschrieben und erzählt. Das Bohnenviertel entstand als erstes Wohnquartier im 15. Jahrhundert außerhalb der Stadtmauer.  Dahinter  lagen Wiesen,  Weinberge, Wälder.

Beim Schnäpperle-Schampus (von links): Volker Lang, David Rau, Heiko Volz, Monika Hirschle, Uwe Bogen

Beim Schnäpperle-Schampus (von links): Volker Lang, David Rau, Heiko Volz, Monika Hirschle, Uwe Bogen

Im Bohnenviertel wohnten die ärmsten Bürger der Stadt, die dafür umso einfallsreicher waren.  Sie waren  Vorbild für die  heutigen  Berliner: Lieber sexy als reich.  Ihr Hauptnahrungsmittel war  die  Gartenbohne, die girlandenförmig an den Häusern zum Hochwachsen  aufgehängt worden ist und dem Viertel zum Namen verhalf.

Weil die Menschheit    nicht ausgestorben ist, dürfte es damals schon das angeblich beste Stück  des Mannes gegeben haben, das  uns  im Bohnenviertel  zusammenführt.   Schwaben sagen „Schnäpperle“ dazu.  Leserinnen und Leser dieser Kolumne wissen Bescheid: Die Schauspielerin Monika Hirschle hatte   bei der Präsentation des schwäbischen Buches „Goht’s no?“  eine Flasche Schampus ausgelobt, wenn ihre Lieblingszeitung    über ihr schwäbisches Lieblingswort „Schnäpperle“ einen Artikel schreibt. Dies geschah, und sie hielt Wort.

Mit einer Flasche Schampus („aus dem Ohgebot“) erschien  die Moni im Brenner – und wir konnten beim „erschden   Schnäpperle-Schdammdisch“ einen Abend lang Schwäbisch  schwätza.  Ein Gläsle  bekam auch  Stuggi.TV-Chef David  Rau,  der den Film zur Wette gedreht hat.   Es fielen so schöne Worte wie „Butzameggerle“ und „Bohwärtersdäfäle“.  Für unsere hochdeutschen Freunde: Ein „Butzameggerle“ schaut aus der Nase raus,  und  „Bohwärtersdäfäle“ sind Ohren, wie Prinz Charles sie hat.

Tobi tanzt Goht's no

Tobi tanzt Goht’s no

Die Schnäpperle-Kolumne hat  die StN-Leserin  Inge Stoll veranlasst, ein zweiseitiges Gedicht zu schreiben.  So sehr habe sie sich gefreut, über diese schöne Wort etwas zu lesen: „Es lebe long das Schnäpperle/ond jedem Narr soi  Schätterle!“ Vielen Dank! Sogar ein Bier  heißt „Schnäpperle“. Aufschrift: „Kühl und dunkel lagern.“

Bohnenviertel-Geschichten. Jede Zeit bringt neue hervor. In den 1960ern wollte die Stadt  das „alte Gelumpe“, wie man  die heruntergekommenen Häuser  nannte,  abreißen und ihr Technisches Rathaus dort  bauen.  OB  Manfred Rommel verhinderte dies.  Das Bohnenviertel wurde saniert. Es entstand eine ideale  Mischung  aus Wohnen und Arbeiten mit tollen  Innenhöfen , worauf Stadtplaner noch heute stolz sein können – ein Viertel mit südländischem Flair , das Handwerker, Modedesigner, Antiquitätenläden,  Weinstuben  und Gaststuben fast familiär vereint. Kopfsteingepflasterte Gassen mit Fachwerk- und Jugendstilfassaden  machen den  Reiz eines der schönsten Stadtteile Stuttgarts aus.

Nicht immer  herrscht hier   ein  Geschiebe wie beim Bohnenviertelfest, das seit über 20  Jahren zu den Höhepunkten  im städtischen Festles-Kalender gehört.   Zwar liegt das Quartier zentral im Herzen Stuttgarts, ist aber durch die „Stadtautobahn“  abgeschnitten von der belebten Innenstadt.

Wer im Breuninger-Parkhaus sein Auto abstellt,   wählt den Weg Richtung Rathaus und der großen Kaufhäuser – in die andere Richtung  kommen  wenige.  Die Besitzer  der kleinen Bohnenviertel-Läden fordern  daher eine bessere Anbindung. Das Bohnenviertel müsse  „sichtbarer“ und „präsenter“ werden. Die Vorschläge dafür sind eine bessere Ausschilderung, eine markante Beleuchtung sowie ein grünes Lichtband, das mitten  dort reinführen sollte, wo  beim Fest bis Samstag der rote Teppich  liegt.

 In diesem Jahr gibt’s keine größere Bühne. Die Kosten für Live-Bands seien zu hoch,  sagen die Organisatoren. Im vergangenen Jahr habe man trotz des Ansturms von mehreren  zehntausend Besuchern  Verluste  gemacht. Wo trotzdem gesungen wird, bilden sich rasch dichte Menschentrauben – so wie beim Auftritt der fabelhaften Musicalsängerin  Kimberly Trees vor dem Atelier  von Modedesigner  Tobias Siewert.

„Get started the party“,  singt  Kimberly. Unter den Zuhörern  ist  die Schauspielerin Monika Hirschle. Ein Mann erkennt  sie und sagt: „Sie send doch di mit dem Schnäpperle.“    Er hat’s in der Zeitung gelesen.  „Das habet Se gut g’ macht“,   lobt er sie.

Die Schwäbin mit dem Schnäpperle – außer Travestie-Lady  Frl. Wommy Wonder  schaffen das wirklich  nur  wenige.

Kimberly singt bei  Siewert Modesign

Kimberly singt bei Siewert Modesign

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