So tolle Kollegen wie Frau Schmidt hat nicht jeder. Zu ihrem Abschied  ließen sie sich was Originelles einfallen, um ihre Wertschätzung auszudrücken,   Was  schenkt man einer Frau, die  der Arbeit wegen von Berlin nach Stuttgart zieht?

carmeMan schenkt ihr eine Kutterschaufel! Auf die hatten die Kollegen von Silvia Schmidt  (Name geringfügig geändert) mit  Fils ihren Namen   gekritzelt.   Zum Abschiedspräsent gehörte  ein Handfeger  aus Rosshaar.     Mit einem schwäbischen Notfall-Set sollte sie für die  Kehrwoche    gerüstet sein,  meinten  die Kollegen. Die müssen im Unrat von  Berlin bleiben,  während Frau Schmidt  bei Daimler in Stuttgart Karriere macht. Seit drei Monaten lebt sie  nun bei den Schwaben. Mit Sprüchen wie „Da gibt’s sicher auch schöne Ecken“ und „Hat Stuttgart nicht ein tolles  Ballett?“  sei sie vor ihrem Umzug aufgemuntert worden, erzählte mir die Ex-Berlinerin  kürzlich.  Ich erkundige mich, ob  die Namen auf der  Kutterschaufel  im Dienste der Sauberkeit  inzwischen zur Unkenntlichkeit  weggeputzt seien. 

„Von wegen“, antwortete Frau Schmidt, „die  Kutterschaufel hängt wie neu  in der  Küche – in meiner Wohnanlage gibt’s den Hausmeisterservice.“ Da mache keiner   die Kehrwoche selbst,   weil der Preis dafür in der Miete enthalten sei.

Stell dir vor, du ziehst zu den Schwaben. Und  nix isch mit Kehrwoch’!

Vorurteile sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

carmeAn ihrem neuen Arbeitsplatz bekam Frau Schmidt  ein Stuttgart-Buch geschenkt, auf dessen Rückseite steht: „Stuttgart ist ganz anders als  sein  Ruf.“ Der Rest der Republik,  war bestimmt zu lesen,    würde die Schwaben unterschätzen. Schon vor einiger  Zeit habe ich  beschlossen, keine Bücher mehr zu lesen, auf denen steht, Stuttgart sei   anders.  Nein, wir sind so, wie wir sind! Wenn Frau Schmidt nur lange genug hier bleibt, wird  sie ebenso  denken:  Wahre Größe ist, wenn dir dein  Ruf  schnurzegal ist! Mit dem Ruf ist es  so eine Sache.  So ein Ruf entspricht selten  der Wahrheit.

Nehmen wir nur mal ein Stinktier. Es steht  im Ruf, fürchterlich zu stinken. Dabei tun Stinktiere  dies äußerst selten. Viele stinken nicht ein einziges Mal in ihrem ganzen Leben. Nur im äußersten Notfall  strecken sie einem Angreifer ihren Allerwertesten entgegen, um ihn dann – wenn der Angreifer immer noch nicht kapieren will   – mit einer  Ladung aus den  Analdrüsen vollzuspritzen. Bei uns Schwaben verhält es sich  ähnlich.  Wir werden selten ungemütlich. Aber wenn wir es werden, haben wir allen Grund.

Schon vor über 20 Jahren hat  ein Radiosender uns zum „wilden Süden“ erklärt,  ohne ahnen zu können, dass wir später mal im  Kampf gegen einen neuen Bahnhof noch wilder werden würden.  Roman Deininger, langjähriger Stuttgart-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ und zweifacher Sieger des Stuttgarter Hate-Slames, verkündete  redaktionsintern immer, er arbeite im „Büro München-West“. Auf diese Weise,  hoffte er, müsse er sich nicht  fortwährend für  Stuttgart entschuldigen. Doch kaum war er bereit,  in die  Zentrale zurückzukehren,  rissen sich die Kollegen um den  freiwerdenden  Außenposten.  Denn in Stuttgart spielt das Leben. Ein grüner OB, ein grüner Ministerpräsident und Bürgerproteste in einem bis dato  konservativen Land – das ist für Journalisten ein kleines Paradies.

Irgendwann werden wir  den Ruf der Rebellen haben. Und keiner wird mehr Handfeger verschenken, sondern Schutzmäntel gegen Wasserwerfer. 

Aber was soll’s? Das meiste, was man über uns sagt, ist erstunken und erlogen. Irgendwann kommt jeder  zu uns, der Karriere machen will. Und wir strecken wie  das  Stinktier  auch nur den  größten Feinden unseren  Hintern entgegen!

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