Es gibt außergewöhnliche Liegenschaften, die sollte man nicht abreißen, sondern eins zu eins im Stadtmuseum neu aufbauen. Das Zum Zum gehört dazu. Auf der Suche nach einer einarmigen  Heldin der Currywurst – und  ein bisschen auch nach der eigenen Jugend.

Wer in Stuttgart groß geworden ist, wird ein paar Dinge nie vergessen. Prägend für junge Menschen können der erste Kuss sein, die erste Eifersucht, die erste Sechs, der erste Liebesbrief   – und   ein Schnellimbiss mit dem klangvollen Namen Zum Zum.

Im Zum Zum arbeitete einst  eine Serbin vor ihrem Unfall mit zwei Armen und danach mit einem Arm ohne zu klagen weiter. Manche sagen, sie habe dies mit Handicap  eifriger getan als Menschen, die mit zwei Armen alle Hände voll zu tun haben. Rekordverdächtig   zerteilte sie Currywürste und gab gleichzeitig das Geld raus –  in der Erinnerung immer noch ein wenig schneller.   In den 1990ern war die „Einarmige“, wie man sie in Ausgeh- und Partykreisen liebevoll nannte, ein Star des Stuttgarter Nachtlebens. „Dabei hat Milanka nur Teilzeit gearbeitet“, sagt die damalige Chefin  Nada Popek des 1968 eröffneten und 2004 abgerissenen Schnellrestaurants an der Bolzstraße. Ihre Milanka Grubor ist Legende,  auch wenn kaum einer ihren Namen kennt.  Es scheint, als sei sie  Drahtzieherin  gewesen  im „magischen Dreieck“ zwischen Unbekanntem Tier, Palast der Republik und Zum Zum.

Was ist aus der Heldin der Currywurst  geworden?

Schöne Erinnerungen helfen  über schlechte Stimmungen hinweg. Gemeinsames   Erinnern  macht Spaß, schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl,  verbindet zum kollektiven  Ergötzen und Spotten.  Im Stuttgart-Album, einer  tausendfach geklickten  Internetseite   bei Facebook, die sich mit Vergangenem der Stadt befasst,  tauschen sich die Verbündeten aus.  Besonders viele  Kommentare  kamen  zum Thema  „Legendärer Schnellimbiss“.  Das Zum Zum  mit orangefarbenem Neonlicht, braun gekachelten Fußböden und  braun gestreiftem   Cord der Bänke hat es nie ins Magazin „Schöner Wohnen“ geschafft, aber in die Herzen der heute 30- bis  60-Jährigen.  „Das Zum Zum ist ein  Teil meiner Jugend, hat mich groß und stark gemacht“, hat Hans-Dieter gepostet. „Das Klo unten war übel, da haben sie uns nach dem Kino regelmäßig eingesperrt als Teenies“, erinnert sich Jens. „Da hat man beim Essen immer mal wieder einen V-Mann getroffen“, berichtet Rick. Und Francesco notiert: „Die Einarmige war in der Lage, einen Brotlaib zu schneiden, indem sie es unterm Arm auf eine Ablage festhielt und mit dem Messer zersägte.“

Auch  im  nahen Friedrichsbau Varieté  kamen beim Anblick des alten  Zum-Zum-Fotos sentimentale Gefühle auf: „Wir waren so oft da, nach der Show oder einfach mal so, schnell über die Straße ein paar Currywürste holen. Jetzt gibt’s da viel neue Gastro, aber keine kommt ans Zum Zum ran!“  Marcel schreibt, er habe die Einarmige niemals lächeln sehen, immer nur arbeiten.  Etliche erinnerten sich an die Abschiedsparty 2004 im Zum Zum, von Partymachern organisiert, die sich „brennende Pudel“ nannten.

Zum Zum   – wer weiß, was das heißt?  Die frühere Geschäftsführerin Nada Popek, vom Stadtmagazin „Lift“ als   „Mutter Teresa der Szene“ geadelt, klärt auf: „Zum guten Essen, zum guten Bier.“ Die Brauerei Dinkelacker eröffnete 1967 das erste Zum Zum in Esslingen. Ein Jahr später kam Stuttgart mit der Bolzstraße dazu. Für die Chefin war klar, dass sie ihre   Milanka   nicht rauswarf, als diese  bei einem  Unfall unter einen Zug kam und  einen Arm verlor. Noch heute staunt Frau Popek,  wie schnell und raffiniert   die Serbin Knoblauchzehen nur mit einem Arm schälte und schnitt. Damit hätte sie bei „Wetten, dass . . .?“ auftreten können.

Irgendwann  gehörte das Zum Zum  zum alten Eisen. Erst verlor die Filiale an der Bolzstraße den Kampf gegen die Abrissbirne, dann wurde auch die letzte Bastion  an  der Hirschstraße   beim Dreifarbenhaus  geschlossen. Nada Popek und ihre beste Kraft verloren ihre Arbeit.  Nach dem Tod ihres Mannes zog Milanka Grubor zu ihrer Tochter nach Belgrad, wo sie am 11. 11. den 76. Geburtstag  feierte.  Dort ist sie zwar nicht ans  Facebook-Netz angeschlossen, weil das Internet nicht ihre Welt ist. Aber ihr  Enkel berichtete ihr,  was für schöne  Kommentare es im Stuttgart-Album über sie gab.  Darüber habe sie sich sehr gefreut, ist zu hören. Der Enkel mailte  mir  die beiden Fotos seiner Großmutter,  die wir hier im Blog sehen. 

 Fotos aus alten Zum-Zum-Tagen, aus einer Zeit, als man Heimat fand für die Länge einer Currywurst, Kraft tankte und noch nicht alles  schick sein musste für die neue schöne Shopping-Welt.  Vielen Dank, Frau  Grubor, schöne Grüße nach Belgrad! Stuttgart hat Sie nicht vergessen.

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